700. Jahrestag der Heiligsprechung des heiligen Thomas von Aquin (1)

Quelle: FSSPX Aktuell

Florenz, Santa Maria Novella

Anlässlich des 700. Jahrestages der Heiligsprechung des Doctor Angelicus veröffentlicht FSSPX.News Texte, die den Platz des gemeinsamen Doktors in der Theologie oder in der Lehre der Kirche deutlich machen.

Der erste Text ist ein Motu Proprio des heiligen Papstes Pius X. „über das Studium der Lehre des heiligen Thomas von Aquin in den katholischen Schulen“ mit dem Titel Doctoris Angelici. 

Kein wahrer Katholik hat es gewagt, den Satz des Doctor Angelicus in Frage zu stellen: „Die Regelung der Studien gehört vor allem zur Autorität des Apostolischen Stuhls, der mit der Regierung der Weltkirche betraut ist, deren Wohl durch die allgemeinen Studienzentren gefördert wird.“ [1] 

[Dem heiligen Thomas im Unterricht der Philosophie folgen] 

Wir haben dieses große Amt Unseres Amtes bereits an anderer Stelle ausgeübt, insbesondere am 1. September 1910, als Wir in Unserem Schreiben Sacrorum Antistitum, das an alle Bischöfe und Generaloberen der Orden gerichtet war, die für die Ausbildung der jungen Kleriker zuständig sein sollten, ihnen zunächst folgende Ratschläge erteilten: 

„Was die Studien betrifft, so wollen und befehlen Wir ausdrücklich, dass die scholastische Philosophie als Grundlage der heiligen Studien festgelegt wird... Und das Entscheidende hierbei ist, dass Wir, wenn Wir vorschreiben, der scholastischen Philosophie zu folgen, unter dieser Philosophie vor allem die Philosophie verstehen, die der heilige Thomas von Aquin geliefert hat. 

Alles, was in dieser Philosophie von Unserem Vorgänger geregelt wurde, wollen Wir in Kraft halten und, soweit es nötig ist, erneuern und bestätigen, und Wir ordnen an, dass es von allen streng beachtet wird. Es wird den Bischöfen obliegen, wenn es in den Seminaren zu einer Nachlässigkeit in dieser Hinsicht gekommen ist, zu urgieren und zu verlangen, dass es künftig eingehalten wird. Dasselbe Gebot geben wir den Oberen der religiösen Orden. 

Weil wir an dieser Stelle sagten, dass man vor allem die Philosophie des Thomas von Aquin befolgen solle, ohne zu sagen, dass man sie ausschließlich befolgen solle, kam es vor, dass viele sich einredeten, sie würden Unserem Willen gehorchen oder ihm zumindest nicht widersprechen, wenn sie unterschiedslos das, was ein anderer der scholastischen Doktoren in der Philosophie lehrte, als Grundlage nahmen, um sich daran zu halten, obwohl es im Gegensatz zu den Grundsätzen des heiligen Thomas stand. Aber in diesem Punkt haben sie sich sehr geirrt. Als wir den heiligen Thomas als Haupt der scholastischen Philosophie bezeichneten, wollten wir natürlich vor allem seine Prinzipien verstanden wissen, auf denen diese Philosophie wie auf ihren Fundamenten beruht. 

Denn ebenso wie die Meinung einiger älterer Menschen, dass es für die Wahrheit des Glaubens unerheblich sei, ob man in Bezug auf die geschaffenen Dinge dieses oder jenes Gefühl habe, muss auch die Meinung einiger älterer Menschen zurückgewiesen werden, dass es für die Wahrheit des Glaubens unerheblich sei, ob man in Bezug auf die geschaffenen Dinge dieses oder jenes Gefühl habe, wenn man richtig denke, solange man nur richtig über Gott denkt - denn der Irrtum über die Natur der Dinge führt zu einer falschen Erkenntnis Gottes -, so müssen auch die von Thomas von Aquin aufgestellten Grundsätze der Philosophie heilig und unverletzlich bewahrt werden, aufgrund derer man zusammen eine solche Kenntnis der geschaffenen Dinge erlangt, dass sie mit dem Glauben wunderbar übereinstimmt. [2] 

Und alle Irrtümer aller Zeiten werden widerlegt, und man kann mit Sicherheit unterscheiden, was Gott allein und keinem anderen als ihm zuzuschreiben ist [3]; und es wird auf wunderbarste Weise entweder die Vielfalt oder die Analogie zwischen Gott und seinen Werken veranschaulicht, eine Vielfalt und Analogie, die schon das vierte Laterankonzil mit folgenden Worten ausdrückte: „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass man nicht eine noch größere Unähnlichkeit zwischen ihnen bezeichnen müsste.“ [4] 

- Im Übrigen enthalten diese Grundsätze des heiligen Thomas, wenn Wir sie allgemein und in ihrer Gesamtheit betrachten, nichts anderes als das, was die größten Philosophen und die Fürsten unter den Kirchenlehrern durch ihre Betrachtungen und Überlegungen über die eigentlichen Gründe der menschlichen Erkenntnis, über das Wesen Gottes und der anderen Dinge, über die sittliche Ordnung und das letzte Ziel des Lebens, das es zu erreichen gilt, herausgefunden hatten. 

Ein so herrliches Erbe der Weisheit, das er selbst, nachdem er es von den Alten empfangen hatte, durch die Kraft seines fast engelgleichen Genies vervollkommnete und vermehrte, und das er anwandte, um die heilige Lehre im menschlichen Verstand vorzubereiten, zu veranschaulichen und zu schützen, [5] weder die gesunde Vernunft will, dass man es vernachlässigt, noch die Religion leidet, dass man irgendeinen Teil davon abschneidet. 

Vor allem aber, wenn die katholische Wahrheit einmal dieser mächtigen Stütze beraubt ist, wird man zu ihrer Verteidigung vergeblich die Hilfe jener Philosophie suchen, deren Grundsätze entweder mit den Irrtümern des Materialismus, des Monismus, des Pantheismus, des Sozialismus und der verschiedenen Modernismen gemeinsam sind oder ihnen gewiss nicht entgegenstehen. 

Denn die Punkte, die in der Philosophie des heiligen Thomas nicht von der Art der Meinungen sein dürfen, über die man hin und her streiten kann, sondern als Fundamente, auf denen die ganze Wissenschaft von den natürlichen und göttlichen Dingen errichtet ist; und wenn man sie wegnimmt oder in irgendeiner Weise verändert, so ergibt sich daraus notwendigerweise noch Folgendes: Die Studenten der heiligen Disziplinen erkennen nicht einmal mehr die Bedeutung der Worte, mit denen die von Gott geoffenbarten Dogmen vom Lehramt der Kirche vorgeschlagen werden. 

Aus diesem Grund haben Wir bereits gewollt, dass alle, die sich mit der Lehre der heiligen Philosophie und Theologie beschäftigen, gewarnt werden, dass es nicht ohne großen Schaden wäre, wenn sie auch nur einen Schritt, vor allem in den Dingen der Metaphysik, von Thomas von Aquin abweichen würden. 

Und nun erklären Wir weiter, dass diese nicht nur nicht dem heiligen Thomas folgen, sondern sich auch weit vom heiligen Doktor entfernen, indem sie das, was in seiner Philosophie die Prinzipien und die großen Thesen ausmacht, in ihren Interpretationen verdrehen oder völlig missachten. 

Dass, wenn die Lehre irgendeines Autors oder Heiligen jemals von Uns oder Unseren Vorgängern mit besonderem Lob empfohlen worden ist, so dass sogar mit dem Lob die Aufforderung und der Befehl verbunden war, sie zu verbreiten und zu verteidigen, es leicht zu verstehen ist, dass sie in dem Maße empfohlen wurde, in dem sie mit den Grundsätzen des Thomas von Aquin übereinstimmte oder ihnen in irgendeiner Weise entgegenstand. 

Wir haben es als eine Pflicht Unseres Apostolischen Amtes angesehen, dies zu erklären und anzuordnen, damit in einer Sache von größter Wichtigkeit alle, die dem einen oder dem anderen Klerus angehören, dem weltlichen wie dem regulären, Unseren Gedanken und Willen völlig klar vor Augen haben und ihn mit der gebotenen Schnelligkeit und Sorgfalt erfüllen. 

Mit besonderer Sorgfalt sollen die Lehrer der christlichen Philosophie und der heiligen Theologie vorgehen, die sich treulich vor Augen halten sollen, dass sie die Macht zu lehren nicht erhalten haben, um den Schülern, die ihren Unterricht besuchen, die ihnen genehmen Ansichten mitzuteilen, sondern um ihnen die Lehren zu überliefern, die von der Kirche als die ihren Gedanken am meisten entsprechenden angesehen werden.

[Dem heiligen Thomas in der Lehre der Theologie folgen] 

Nun zur eigentlichen heiligen Theologie: Wir wollen, dass das Studium dieser Wissenschaft immer im Licht der Philosophie, die wir erwähnt haben, illustriert wird; aber in den gewöhnlichen Seminaren der Kleriker soll es erlaubt sein, vorausgesetzt, dass es dort kompetente Lehrer gibt, die Bücher jener Autoren zu haben, die in Kurzform die aus der Quelle des Thomas von Aquin abgeleiteten Lehren darlegen; und es gibt in dieser Art einige, die sehr empfehlenswert sind. 

Um diese Wissenschaft jedoch auf eine höhere Art und Weise zu pflegen, wie sie an den Universitäten und in den großen Athenäen gepflegt werden muss, und auch in all jenen Seminaren und Instituten, denen die Befugnis zur Verleihung akademischer Grade gewährt wurde, ist es unbedingt erforderlich, dass, in Anlehnung an den alten Brauch, von dem man niemals hätte abweichen dürfen, Vorlesungen über die Summa theologica selbst abgehalten werden, und zwar aus dem Grund, dass dieses kommentierte Buch das Verständnis und die Veranschaulichung der feierlichen Dekrete der Lehrkirche und ihrer späteren Handlungen erleichtern wird. Denn nach dem seligen heiligen Doktor ist kein Konzil von der Kirche abgehalten worden, auf dem er selbst nicht mit dem Reichtum seiner Lehre anwesend gewesen wäre. Die Erfahrung von so vielen Jahrhunderten hat gezeigt, und es wird jeden Tag deutlicher, wie wahr die Aussage Unseres Vorgängers Johannes XXII. ist: „Er (Thomas) hat die Kirche mehr erleuchtet als alle anderen Lehrer, und in seinen Büchern lernt der Mensch in einem Jahr mehr als in der ganzen Zeit seines Lebens von der Lehre der anderen.“ [6] 

Diesen Gedanken bestätigte der heilige Pius V., als er beschloss, dass das Fest des heiligen Thomas als Doktor von der ganzen Kirche gefeiert werden sollte, mit folgenden Worten: „Weil die Vorsehung des allmächtigen Gottes bewirkt hat, dass der engelgleiche Doktor durch die Kraft und Wahrheit seiner Lehre von dem Augenblick an, da er in den Himmel eingegangen ist, die zahlreichen Häresien, die seither aufgetreten sind, durch Verwirrung und Widerlegung zerstreut hat, Wie schon oft zuvor und zuletzt in den heiligen Dekreten des Konzils von Trient deutlich geworden ist, so befehlen Wir, dass das Andenken des heiligen Lehrers, dessen Verdienste das Universum täglich von pestilenzialischen Irrtümern befreien, noch mehr als bisher Gegenstand einer Verehrung sei, die von der Liebe eines frommen und dankbaren Herzens inspiriert ist.“ [7] 

Viele unserer Vorgänger, die römischen Päpste, haben seiner Lehre Zeugnisse ausgestellt, die sie mit Ehre erfüllen. Und wir selbst haben in den Büchern, die wir über verschiedene Themen geschrieben haben, wenn wir bei der sorgfältigen Prüfung die Gedanken des engelgleichen Lehrers wahrgenommen und betrachtet haben, immer voller Bewunderung und Freude, uns ihnen angeschlossen und sie unterschrieben, indem wir inbrünstig bekannten, dass, wenn in diesen Büchern etwas Gutes zu finden ist, es keineswegs uns, sondern einem so großen Lehrer zuzuschreiben ist, dem alles zu verdanken ist. [8] 

Thomas möge in den Schulen blühen, was Uns sehr am Herzen liegt“, und „jene Art zu lehren, die sich auf die Autorität und das Urteil einzelner Lehrer stützt“, und die deshalb „eine veränderliche Grundlage hat, aus der verschiedene und widersprüchliche Empfindungen hervorgehen, nicht ohne großen Schaden für die christliche Wissenschaft [9]“, möge verschwinden: „Wir wollen, befehlen und gebieten, dass diejenigen, die die Aufgabe erhalten, die heilige Theologie an den Universitäten, den großen Gymnasien, Kollegien, Seminaren und Instituten zu lehren, die durch apostolischen Indult die Befugnis haben, die akademischen Grade und das Doktorat in derselben Wissenschaft zu verleihen, als Text ihrer Vorlesungen die Summa theologica haben und sie in lateinischer Sprache erklären, und dass sie eifersüchtig darauf bedacht sind, bei ihren Zuhörern die größte Liebe zu ihr zu erwecken.

Dies ist bereits in mehreren Instituten lobenswerterweise üblich; die sehr weisen Gründer der religiösen Orden wollten es mit der größten Zustimmung Unserer Vorgänger so in ihren Studienhäusern haben, und die heiligen Männer, die nach den Zeiten des heiligen Thomas kamen, hatten nur ihn als obersten Lehrer der Lehre. So und nicht anders wird es geschehen, dass nicht nur die Theologie zu ihrem ersten Glanz zurückgeführt wird, sondern dass auch allen heiligen Wissenschaften ihre Ordnung und ihr Wert wiedergegeben werden und dass alles, was in den Bereich des Verstandes und der Vernunft fällt, neue Kraft gewinnt. 

Aus diesen Gründen soll in Zukunft keinem Institut die Befugnis erteilt werden, akademische Grade in heiliger Theologie zu verleihen, es sei denn, dass das, was hier von Uns angeordnet ist, bei ihnen in heiliger Weise befolgt wird. 

Was die Institute oder Fakultäten selbst der Orden oder Kongregationen von Regularen betrifft, die bereits rechtmäßig die Befugnis haben, diese Art von akademischen Graden oder ähnliche Diplome zu verleihen, auch nur innerhalb der Grenzen ihrer Familie, so soll diese Befugnis jenen entzogen und als entzogen gehalten werden, die nach drei Jahren aus irgendeinem Grund, auch wenn er keineswegs freiwillig ist, diese Unsere Vorschrift nicht religiös befolgt haben. Und dies verordnen Wir, ohne dass etwas anderes dagegen sprechen kann. 

Gegeben zu Rom, in St. Peter, am neunundzwanzigsten Tag des Monats Juni 1914, aus Unserem Pontifikat im elften Jahr. 

Pius X., Papst 

[1] Opusculum Contra impugnantes Dei cultum et religionem, c. 3. 

[2] Summa contre les Gentils, L. II, c. 3 und 2. 

[3] Ibidem, c. 3 und Summa theologica, I, 12, 4; I, 54, 1. 

[4] Kap. 2, Dz 806. Vgl. St. Thomas, Disputated Questions, De scientia Dei, a. 11. 

[5] Kommentar zu De Trinitate von Boethius, q. 2, a. 3. 

[6] Allokation an das Konsistorium im Jahr 1318. 

[7] Bulle Mirabilis Deus vom 11. April 1617. 

[8] Urkunden der Generalkapitel O.P., Bd. IX, S. 196. 

[9] Leo XIII., Brief Qui te vom 19. Juni 1886.