Der amerikanische Klerus formiert sich nicht im Sinne des Papstes

Quelle: FSSPX Aktuell

Seminaristen des Notre-Dame-Seminars in New Orleans

Der letzte Bericht der Katholischen Universität von Amerika in Washington, D.C. zeigt, dass ein alternder progressiver Klerus unaufhaltsam weichen und durch eine Mehrheit junger Priester ersetzt wird, die sich selbst als konservativ bezeichnen.

Stehen wir auf der anderen Seite des Atlantiks an der Schwelle zum Great Awakening 2.0, der „Großen Erweckung“ einer religiösen [allerdings reformatorischen] Welle, die Mitte des 18. Jahrhunderts in den britischen Kolonien Nordamerikas einsetzte? Es ist zwar noch zu früh, um dies zu sagen, aber eine achtzehnseitige brandaktuelle Studie von The Catholic Project – einer Gruppe von Forschern der Katholischen Universität von Amerika – räumt mit vielen bis dato gängigen Vorstellungen zum religiösen Klima in der Neuen Welt auf. 

Ein zweiter von insgesamt drei Teilen einer jahrzehntelangen Untersuchung zielt auf mehrere tausend Priester aus 191 Diözesen ab. Der erste Teil (Oktober 2022) ergab, dass viele Priester, obwohl sie in ihrem Priestertum aufgehen, der Meinung sind, dass sie unter einem zu hohen Druck leiden, ihrem Bischof misstrauen und Angst haben, fälschlicherweise als ungebührlich bezeichnet zu werden. 

Der zweite Teil der Umfrage ist noch interessanter, da er eine Erosion der früheren Kluft zwischen progressiven und konservativen Priestern zum Vorteil der letzteren zeigt, da der Anteil der Priester, die sich als „liberal“ oder „progressiv“ bezeichnen, einer Kurve folgt, die unaufhaltsam zu sinken scheint. 

Der Anteil der Priester, die sich selbst als „konservativ“ und „orthodox“ in Bezug auf die katholische Theologie beschreiben, macht heute 80 Prozent der nach 2020 geweihten Personen aus. Das interessanterweise zu einer Zeit, in der das Pontifikat von Papst Franziskus auf Hochtouren läuft und sich nicht gerade durch eine Politik zur Stärkung der doktrinalen Korrektheit in der Kirche auszeichnet. 

Ein ähnliches Pendel schlägt auch auf politischer Ebene zurück: „Der Anteil der Neupriester, die sich als politisch ‚liberal‘ oder theologisch ‚progressiv‘ betrachten, ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stetig zurückgegangen und scheint nun einfach verschwunden zu sein“, heißt es in dem Bericht.  

Bis dahin betrachtete sich eine Mehrheit der Priester als „progressiv“, aber die Medienberichte über Missbrauch in der Kirche und die rasante Säkularisierung der amerikanischen Gesellschaft machten denjenigen einen Strich durch die Rechnung, die im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils einen neuen Frühling der Kirche ankündigten. 

Diese Rückbesinnung auf eine starke katholische Identität überrascht Pater Carter Griffin, den Rektor des Seminars, nicht: „Niemand kann sein Leben ganz Gott widmen, wenn er Überzeugungen in Form von Fragezeichen hat: Die Kandidaten, die heute am offensten sind, durch die Tür eines Seminars zu gehen, sind diejenigen, die behaupten, voll und ganz katholisch zu sein und mit allem, was die Kirche lehrt, übereinzustimmen.“ Dasselbe gilt für den Bundesstaat Louisiana, wo Pater Bryce Sibley – Professor am Priesterseminar Notre Dame in New Orleans – sagt, dass er „einen Wunsch nach Gewissheit und Klarheit in einer Welt, in der die Dinge so chaotisch, unsicher und veränderlich erscheinen“ beobachtet hat. Um Berufungen zur Entfaltung zu verhelfen, „muss man eine tiefe Liebe zur Kirche haben, die unveränderlich bleibt, auch wenn die Entscheidungen eines Bischofs oder Papstes nicht unbedingt das sind, was man gerne sehen würde“, erklärt Pater Griffin. 

Auch wenn wir vielleicht noch nicht am Vorabend eines großen Erwachens stehen, ist das typische Profil des amerikanischen Priesters im Jahr 2023 laut Pater Griffin ein junger Mann, der „auf den Schiffbruch des Materialismus und Säkularismus reagiert, weil er deren Auswirkungen auf seine älteren Geschwister gesehen hat. Er sieht diejenigen, die in der Sünde gefangen sind, und möchte den Unterschied zum Geist der Welt markieren. Er möchte zu denen gehören, die helfen, Licht, Freude und Hoffnung in eine Welt zurückzubringen, die sie verloren zu haben scheint.“ 

Dieser Abgesang auf den Progressivismus ist einer der Faktoren des großen amerikanischen Paradoxons, in dem der Säkularismus zu triumphieren scheint, während der „Wokismus“ bereits altmodisch und überholt wirkt, während konservativ oder antimodern zu sein nicht unbedingt negativ bewertet wird, wie noch in weiten Teilen Europas. Ein Paradoxon, das sich hoffentlich eines Tages auch auf dieser Seite des Atlantiks etablieren wird.