Die Gnade des guten Todes

Quelle: FSSPX Aktuell

Das Ende des liturgischen Jahres ist für den Christen nach dem Verständnis der Kirche eine Gelegenheit, über seine letzten Ziele und insbesondere über die Vorbereitung auf einen guten Tod nachzudenken. In einer Zeit, in der das Lebensende quasi „beschlagnahmt“ und durch den Missbrauch der Euthanasie bedroht wird, ist es wichtig, diese ganz besondere Gnade, die als letzte Beharrlichkeit bezeichnet wird, hervorzuheben.

Können wir uns die Gnade des guten Todes oder Beharrlichkeit bis zum Ende verdienen?  

Die Beharrlichkeit oder der gute Tod ist nichts anderes als die Fortsetzung des Gnadenstandes bis zum Augenblick des Todes. Oder, wenn man sich im letzten Augenblick bekehrt, die Verbindung von Gnadenstand und Tod. Kurz gesagt, der gute Tod ist der Tod im Zustand der Gnade, der Tod der Auserwählten.  

Dieser Zustand der Gnade im Augenblick des Todes ermöglicht es dem Menschen, persönlich an der Erlangung seines ewigen Glücks teilzuhaben; weil er bis zum Ende in der Freundschaft mit Gott verharrt, führt Gott ihn kraft dieser Freundschaft in den Himmel ein. Der Mensch verdient dann in Wirklichkeit seine Belohnung: „Guter und treuer Knecht, in wenigem bist du treu gewesen, geh ein in die Freude deines Herrn.“ 

Aber wenn die himmlische Glückseligkeit auf diese Weise durch die Beharrlichkeit in der Freundschaft Gottes verdient wird, kann dann dieses Ausharren selbst seinerseits verdient werden, im eigentlichen Sinne des Wortes Verdienst, das ein gewisses Recht auf die Erlangung dieser Gnade impliziert? Kann man das verdienen, womit wir den Himmel verdienen? Thomas von Aquin antwortet scharfsinnig: Das Prinzip des Verdienstes kann nicht verdient werden; denn eine Ursache, sei sie physisch oder moralisch wie das Verdienst, kann sich nicht selbst verursachen. Wenn also die Freundschaft mit Gott im Moment des Todes das ist, was uns erlaubt, den Himmel zu verdienen, kann sie selbst nicht verdient werden. 

Man versteht, warum das Zweite Konzil von Orange im Jahr 529 sie zu einer besonderen Gabe erklärte und warum das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert ihre vollkommene Unentgeltlichkeit bestätigte, indem es sagte: „Diese große Gabe kann nur von dem allein erlangt werden, der den Stehenden im Guten bewahren und den Fallenden aufrichten kann. Genau darum geht es: im Augenblick des Todes im Stand der Gnade bewahrt oder wiederhergestellt zu werden. Es ist also eine Gnade, die man sich nicht verdienen kann und die wirklich völlig von Gott abhängt.“ 

Das ist in gewisser Hinsicht furchteinflößend, doch es gibt auch tröstliche Aspekte.

Wie kann die Gnade des guten Todes erlangt werden? 

Zwar kann die Gabe der letzten Beharrlichkeit also streng genommen nicht verdient werden, da das Prinzip des Verdienstes nicht verdient werden kann, doch kann und muss sie durch das Gebet erlangt werden, das sich nicht wie das Verdienst an die Gerechtigkeit Gottes, sondern an seine Barmherzigkeit wendet.  

Das Gebet kann in der Tat manchmal durch einfaches Bitten Güter erhalten, ohne sie zu verdienen. Zum Beispiel kann ein Sünder, der nicht im Stand der Gnade ist, durch eine Eingebung Gottes darum bitten, die heiligmachende Gnade wiederzuerlangen, und wird so erhört: Er kann diese Gnade dann nicht verdient haben, da ohne sie kein Verdienst möglich ist. Dasselbe gilt für die Gnade der letzten Beharrlichkeit: Wir können sie nicht im eigentlichen Sinne verdienen; aber wir können sie durch Gebet für uns und sogar für andere erlangen. Wir können auch, ja, wir müssen sogar bereit sein, sie durch ein besseres Leben zu empfangen: denn oft stirbt man, wie man gelebt hat. Deshalb hat uns unser Herr gelehrt, im Vater unser zu sagen: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“. Und die Kirche lässt uns jeden Tag beten: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ 

Eine Frage bleibt offen: Können wir durch das Gebet unfehlbar diese Gnade des guten Todes erlangen?  

Die Theologie, die sich auf das Versprechen unseres Herrn stützt: „Bittet, so werdet ihr empfangen“, lehrt uns, dass das Gebet, das unter bestimmten Bedingungen verrichtet wird, uns unfehlbar die für die Erlösung notwendigen Güter und folglich die letzte Gnade verschafft. Aber was sind diese Bedingungen für ein unfehlbar wirksames Gebet? Der Heilige Thomas sagt uns: „Man muss für sich selbst um die heilsnotwendigen Güter bitten, mit Frömmigkeit und Ausdauer“. 

Wir erhalten in der Tat das, was wir für uns erbitten, sicherer als das, was wir für einen Sünder erflehen, der sich vielleicht in dem Moment, in dem wir für ihn beten, der Gnade widersetzt. Aber selbst, wenn wir für uns um die für das Heil notwendigen Güter bitten, ist das Gebet nur dann unfehlbar wirksam, wenn es mit Frömmigkeit, Demut, Vertrauen und Beharrlichkeit verrichtet wird. Nur so drückt es ein aufrichtiges und tiefes, nicht unterbrochenes Verlangen unseres Herzens aus. Und hier taucht mit unserer Zerbrechlichkeit wieder das Geheimnis der Gnade auf. Uns kann es im Gebet wie auch bei verdienstvollen Werken an Ausdauer fehlen. Und deshalb sagt der Priester in der heiligen Messe vor der Kommunion: „Lass nicht zu, Herr, dass wir uns jemals von dir trennen.“ 

Geben wir uns also mit Vertrauen und Liebe der unendlichen Barmherzigkeit hin: Das ist das sicherste Mittel, um von ihr zu erlangen, dass sie sich uns zuwendet, in diesem Augenblick und in der Stunde unseres Todes.  

In dieser Hingabe werden wir den Frieden finden. Als der Erlöser für uns starb, vereinigten sich in seiner heiligen Seele der größte Schmerz, der durch unsere Sünden verursacht wurde, und der tiefste Friede. Ebenso gibt es bei jedem christlichen Tod, wie bei dem des guten Schächers, eine sehr innige Verbindung von heiliger Furcht, von Zittern vor der unendlichen Gerechtigkeit und gleichzeitig von tiefem Frieden in der durch die Hoffnung geschenkten Gewissheit, dass die Barmherzigkeit Gottes uns die Arme öffnet. Dann herrscht der Friede, wie bei unserem sterbenden Herrn: „Consummatum est [...] Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“