Parlamentarische Untersuchung zum Fall Orlandi startet in Italien

Quelle: FSSPX Aktuell

Der italienische Senat stimmte am 9. November 2023 der Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung des Verschwindens von Emanuela Orlandi und Mirella Gregori im Jahr 1983 zu. Beide Fälle wurden auf unterschiedliche Weise mit dem Vatikan in Verbindung gebracht. Die beiden Mädchen verschwanden im Abstand von 40 Tagen.

Die Wiederaufnahme des Orlandi-Falls folgte auf die Ausstrahlung des Netflix-Dokumentarfilms „Emanuela Orlandi: Verschwunden aus dem Vatikan“, der 2022 ausgestrahlt wurde. Der Vorstoß des italienischen Parlaments steht offenbar im Zusammenhang mit dem neu geweckten Interesse der Medien an dem Fall, wie die US-amerikanische Website Crux anmerkt. 

Der Dokumentarfilm befasst sich mit dem Verschwinden der 15-jährigen Emanuela Orlandi im Jahr 1983, das bis heute ungeklärt ist. Der Vater des Mädchens war Beamter der Präfektur des Päpstlichen Hauses und die Familie lebte in einer Wohnung in der Vatikanstadt. 

Der mysteriöse Fall hat zahlreiche mehr oder weniger abwegige Thesen hervorgebracht. In den letzten Jahrzehnten wurde das Verschwinden von Emanuela Orlandi mit der Mafia, dem Geheimdienst oder auch mit finanziellen Verfehlungen im Vatikan in Verbindung gebracht. 

In jüngster Zeit wurde die These aufgestellt, dass das Mädchen im Rahmen eines Pädophilenrings entführt worden sein könnte, der von einer Gruppe von Geistlichen aufgebaut wurde. Diese Behauptungen wurden unter anderem von Pietro Orlandi, dem älteren Bruder des vermissten Mädchens, der sein Leben der Suche nach der Wahrheit über seine Schwester gewidmet hat, weiterverbreitet. Er zitierte im April 2023 im italienischen Fernsehen einen ehemaligen Mafioso, der behauptete, dass Johannes Paul II. an diesem Pädophilenring beteiligt gewesen sei. Diese Theorien wurden von Papst Franziskus als „Unsinn“ bezeichnet. 

Drei parallele Untersuchungen 

Der 40-köpfige Parlamentsausschuss soll noch vor Ende des Jahres eingesetzt werden. Er soll sich auch mit dem Fall von Mirella Gregori befassen, einem anderen 15-jährigen Mädchen, das zur gleichen Zeit wie Emanuela Orlandi verschwand.  

Der Fall wurde teilweise ebenfalls mit dem Vatikan in Verbindung gebracht, weil die Mutter der Vermissten 1985 während eines Besuchs von Johannes Paul II. in der römischen Pfarrei San Giuseppe, in der die Familie Gregori lebte, behauptete, sie habe einen vatikanischen Gendarmen, Raoul Bonarelli, erkannt, der zur Eskorte des Papstes gehörte. Sie versicherte, dass der junge Mann gewöhnlich mit seiner Tochter und einem Freund in einer Bar in der Nähe ihres Hauses Zeit verbrachte. 

Die neue parlamentarische Untersuchung wird zwei Verfahren berücksichtigen müssen, die in diesen Fällen bereits eingeleitet wurden, eines von der Staatsanwaltschaft in Rom und eines vom Vatikan. 

Kritische Stimmen gegen den Ausschuss 

Einige Wortmeldungen der Senatoren sprachen sich gegen die Initiative aus. So erklärte Maurizio Gasparri von Forza Italia: „In dieser Legislaturperiode häufen sich die Untersuchungsausschüsse, als wollten sie bestimmte Unzulänglichkeiten ausgleichen. Ich habe sehr starke Zweifel daran, dass wir hier Fortschritte machen können. Aber die Position von Forza Italia ist für die Suche nach der Wahrheit.“ 

Gasparri zitierte die Anhörungen der letzten Monate: „Der derzeitige römische Staatsanwalt Francisco Lo Voi sprach zu uns über die laufenden Ermittlungen und die Hoffnung, der gegenüber es legitim ist, Skepsis darüber zu äußern, ob die Ergebnisse, auf die wir seit 40 Jahren warten, erreicht werden können.“ Und schließlich warnt Gasparri: „Wenn die Untersuchungskommission nach der Wahrheit suchen soll, dann soll es so sein; wenn sie zu einem Medientheater werden soll, wie es einige Fernsehsendungen sind, die Johannes Paul II. vor Gericht stellen, dann ist das etwas, was der Senat der Republik oder die Abgeordnetenkammer nicht tun können.“