Tragen religiöser Symbole - Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet widersprüchlich

Quelle: FSSPX Aktuell

Eine Sitzung des Europäischen Gerichtshofs

Auf Anfrage des Arbeitsgerichts Lüttich urteilt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem am 28. November 2023 veröffentlichten Urteil, dass eine öffentliche Verwaltung ihren Bediensteten das Tragen religiöser Symbole verbieten oder erlauben kann, selbst wenn diese nicht mit den Nutzern in Kontakt stehen. Dies ist eine Premiere in Bezug auf den öffentlichen Dienst.

Der Rechtsstreit, der zu dem Urteil vom 28. November führte, betraf eine Angestellte der belgischen Gemeinde Ans, der es verboten wurde, 2021 an ihrem Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch zu tragen. 

Die Angestellte klagte gegen diese Entscheidung wegen Verletzung ihrer Religionsfreiheit und Diskriminierung. Das belgische Gericht fragte sich, ob die von der Gemeinde Ans auferlegte Neutralitätsregel zu einer Diskriminierung führt, die gegen das Recht der Europäischen Union (EU) verstößt, und führte ein „Vorabentscheidungsersuchen“ dieser Frage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durch. 

Hintergrund: Im europäischen Recht ermöglicht das Vorabentscheidungsersuchen den Gerichten der Mitgliedstaaten, im Rahmen eines bei ihnen anhängigen Rechtsstreits den Gerichtshof um die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union zu ersuchen. Der Gerichtshof entscheidet den nationalen Rechtsstreit nicht, und es obliegt dem nationalen Gericht, den Fall im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu lösen. 

In Fall der Gemeinde Ans urteilt der EuGH, dass „zur Schaffung eines völlig neutralen Verwaltungsumfelds eine öffentliche Verwaltung das sichtbare Tragen von Zeichen, die auf weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen hinweisen, am Arbeitsplatz verbieten kann.“ 

Das Europäische Gericht hat bereits mehrfach über Fälle von Kopftuchverboten von privaten Arbeitgebern entschieden, dies ist jedoch die erste Entscheidung, die den öffentlichen Dienst betrifft. 

Laizismus im Vorwärts- und im Rückwärtsgang? 

Da der Gerichtshof jedoch nicht um einen Widerspruch verlegen ist, erkennt er gleichzeitig das Recht jeder Verwaltung an, allen ihren Angestellten das Tragen religiöser Symbole zu gestatten. Der EuGH betont jedoch, dass diese Entscheidung zum Verbot oder zur Genehmigung jedes Mal für alle Beschäftigten gelten muss, ohne zwischen Glauben und Weltanschauung zu unterscheiden. 

Der Laizismus nach luxemburgischer Art – der EuGH hat seinen Sitz im Großherzogtum – könnte in den öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu einem Zweiklassensystem führen, in dem das Tragen religiöser Symbole akzeptiert wird, um einer bestimmten Gemeinschaft zu gefallen, und jenen, die dies ablehnen. 

Es ist jedenfalls an der Zeit und an der Gelegenheit, über die Zeilen nachzudenken, die Pius XI. 1925 geschrieben hat und die noch immer von erstaunlicher Aktualität sind: „Nachdem Gott und Jesus Christus aus der Gesetzgebung und den öffentlichen Angelegenheiten ausgeschlossen worden waren und die Autorität nicht mehr von Gott, sondern von den Menschen stammte, kam es dazu, dass (...) die Grundlagen der Autorität selbst umgestürzt wurden, sobald man den fundamentalen Grund für das Recht zu befehlen für die einen und die Pflicht zu gehorchen für die anderen beseitigte. 

Unweigerlich folgte daraus eine Erschütterung der gesamten menschlichen Gesellschaft, die nunmehr einer festen Stütze und eines festen Halts beraubt war... Wenn die Menschen dazu kämen, die königliche Autorität Christi in ihrem privaten und öffentlichen Leben anzuerkennen, würden sich unglaubliche Wohltaten – gerechte Freiheit, Ordnung und Ruhe, Eintracht und Frieden – unfehlbar über die gesamte Gesellschaft ausbreiten.“