Zwischen den Fronten: Die Zukunft der Christen in Gaza ist ungewiss

Quelle: FSSPX Aktuell

Während der Krieg im Gazastreifen tobt, ist der lateinisch-katholische Patriarch von Jerusalem besorgt über die Zukunft der christlichen Gemeinschaft in der Region. Derzeit sind es noch mehr als tausend Christen – überwiegend „Orthodoxe“ –, die unter fast zwei Millionen Muslimen überleben. Viele von ihnen sind willens, ins Ausland zu fliehen.

„Menschlich gesehen denke ich, dass der Wunsch zu gehen am stärksten sein wird. Man muss natürlich den aktuellen Kontext im Auge behalten: Viele Häuser wurden in Schutt und Asche gelegt, also wird es in praktischer Hinsicht nicht leicht sein, zu bleiben.“ Kardinal Pierbattista Pizzaballa zeigt sich in dem Interview mit der RAI am 26. Oktober 2023, während die Kämpfe im Gazastreifen stark zugenommen haben, nicht sonderlich optimistisch. 

Das Oberhaupt der katholischen Kirche im Heiligen Land, das nach den Terroranschlägen der Hamas-Organisation am 7. Oktober nach Jerusalem zurückgekehrt war, ermutigt die Christen dennoch, auf dem Boden zu bleiben, auf dem Christus geboren wurde und aufwuchs: „Ich glaube nicht, dass man unbedingt den einfachsten Weg gehen muss, den Weg der Ausreise, um anderswo ein ruhigeres und friedlicheres Leben zu finden“, sagte er. Im Gegenteil, so der hohe Prälat: „Wir müssen versuchen, wieder aufzubauen, aber ich weiß, dass es leicht ist, das zu sagen, und dass Überleben eine andere Sache ist.“ 

Was die mittel- und langfristigen Folgen des Konflikts angeht, wirkt der Patriarch bezüglich der Zukunft der israelisch-palästinensischen Beziehungen weiterhin ratlos: „Mir scheint, dass eine Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern in der Praxis unmöglich sein wird. Wir müssen sehen, wohin das konkret führt und was das für das Leben der Christen hier bedeuten wird. Aber eines ist sicher: Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war“, stellte er klar. 

Der Hohe Prälat bekräftigte auch seinen Wunsch, so bald wie möglich in den Gazastreifen zu reisen, um die einzige katholische Gemeinde unter dem Patronat der Heiligen Familie zu besuchen. „Wenn ich könnte, würde ich mich sofort mit anderen Priestern auf den Weg machen, um den Gemeindemitgliedern zu helfen und sie zu unterstützen“, so der Kardinal, der dennoch einsichtig bleibt: „Wir müssen abwarten, bis die Situation klarer wird. Im Moment befinden wir uns in einer Phase der Instabilität, und es ist schwer zu sagen, was passieren wird. Sicher ist, dass es viel Leid, Wut und Hass gibt. Das ist nicht gut.“ 

Auch die Ortskirche und der Heilige Stuhl haben für Erzbischof Pizzaballa eine führende Rolle in der dramatischen Situation in der Region zu spielen, und sei es nur in der heiklen Frage der israelischen Geiseln: „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Situation zu beenden, vor allem um die Kinder, die als Geiseln genommen wurden, nach Hause zu bringen und die Sicherheit aller Kinder zu gewährleisten“, betonte der Kardinal. 

Der lateinische Patriarch äußerte sich auch zu politischen Fragen und erinnerte an seine Unterstützung für das Prinzip „zwei Völker, zwei Staaten“, das 1993 im Osloer Abkommen festgeschrieben wurde und an das auch Papst Franziskus in einem Fernsehinterview am 1. November letzten Jahres erinnerte: „Die Welt muss verstehen, dass es hier zwei Völker gibt, insbesondere das palästinensische Volk, das auf eine Antwort auf seine nationalen Bestrebungen wartet“, erklärte er. 

Eine Frage übrigens, die für den hohen Prälaten nach wie vor entscheidend ist und nicht unbeantwortet bleiben darf: „Solange wir das nicht gelöst haben, kann kein anderes Problem gelöst werden, weder politische noch religiöse Fragen.“ Derzeit ist es jedoch schwer vorstellbar, dass es in diesem Bereich in naher Zukunft nennenswerte Fortschritte geben wird. Den Christen in Gaza steht jedenfalls ein langer und harter Winter bevor, da sie zwischen die Fronten der regulären israelischen Armee und der Hamas-Islamisten geraten sind und dort überleben müssen.